
Was sind die Aufgaben einer Trauzeugin? Unterschreiben, mit zum Friseur gehen, Rede halten und ein freundliches Gesicht machen.
Das dachte ich zumindest, als ich vor vielen Jahren bei der Hochzeit meiner Freundin im Münsterland dabei war. Die Trauung fand in einem sehr hübschen, unter Denkmalschutz stehenden Gebäude, einer Art Scheune, statt. Davor trat man direkt in die Fußgängerzone mit Kopfsteinpflaster, alles sehr pittoresk.
Zu der Zeit warf man noch Reis auf das glückliche Brautpaar. So auch dort. Viele Menschen applaudierten, auch Ausflügler, die direkt gegenüber im Eiscafé saßen.
Bis ein sehr aufgebrachter Mensch auf der Bildfläche erschien, der offenbar eine offizielle Funktion hatte. Und der sich darüber beschwerte, dass überall Reis herumlag. „Machen Sie den sofort weg!“ Da wurde mir klar, was noch zu den Aufgaben einer Trauzeugin gehört. Ich erinnere noch einmal daran, dass wir in einer Kopfsteinpflaster-Gasse standen. Schon hatte ich mich in meinem Kleid gebückt und begann, die Reiskörner aus den Ritzen der Pflastersteine zu pulen. „Was machst du da?“, wollte meine frisch getraute Freundin wissen. „Ach, nichts weiter“, meinte ich, damit sie nichts davon mitbekam. „Ich suche nach Glücks-Cent-Stücken für euch.“ Lieber hätte ich in dem Moment die Fenster eines Hochhauses geputzt. Das wäre gewiss einfacher gewesen. Aber ich hatte ja viele helfende Hände. Mein damals einjähriger Sohn beispielsweise wollte mir auch helfen und krabbelte in seinem Matrosenhemd und weißer Hose ebenfalls über die dreckigen Pflastersteine. Er fand, dass die herausgepulten Reiskörner ganz herrlich schmeckten. Immer mehr Menschen krabbelten mit uns auf dem Boden und unterstützten uns. Am Ende lieferte eine Dame aus einem der Geschäfte einen Staubsauger und eine Verlängerungsschnur, womit wir das „Symbol des Glücks“,bäm, wegsaugten. Die beiden sind übrigens immer noch glücklich verheiratet - und zur Feier gibt es am Hochzeitstag stets Milchreis mit Straßenstaub!
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