Ja sagen im Jogginganzug

 

Zu einer Hochzeit gehören ja bekanntlich immer zwei. Zwei Menschen, zwei Versprechen, zwei Ringe, zwei schöne Dresses. Wirklich? Bei einem Paar hatte ich mal den Eindruck, dass die Braut irgendwie mehr wollte als ihr Freund. Wir hatten das Kennenlerngespräch via Zoom. Als Erstes sah ich in das Gesicht einer jungen Frau. Sie lächelte leicht angespannt. Der Platz neben ihr am Tisch: leer.

„Dein Freund sucht gerade noch die Ringe aus?“, fragte ich scherzend. „Nö!“, meinte sie etwas unsicher. „Der kommt gleich!“

„Tu ich nicht!“, hörte ich aus dem Hintergrund. Sie drehte den Bildschirm so, dass ich ihren Freund sehen konnte. Er fläzte auf dem Sofa und daddelte ein Videospiel. Er trug Jogginganzug.

„Kommst du denn jetzt mal, Schatz?“, bat sie ihn.

„Ich hab keinen Bock auf den ganzen Kram!“, rief er und gähnte demonstrativ.

Ich nahm über die Distanz Kontakt zu ihm auf und fragte, was er da spiele.

„Fortnite“, meinte er.

Ich erzählte ihm, dass mein Sohn auch am liebsten Fortnite spiele. und ob er den Joystick nicht mal kurz weglegen und aus der Horizontalen in die Senkrechte wechseln wolle.

„Cooler Sohn“, stellte er fest.

Mats, mein Sohn, lag auch gerade hinter mir auf dem Sofa und spielte, genau...Fortnite.

Er kam an den Bildschirm und erzählte dem Bräutigam in spe in irgendwelchen Fachbegriffen, die ich leider aufgrund von „Null Gamer-Peilung“ nicht wiedergeben kann, was er da, „ej, Alter“ so reißen würde.

So hatten wir den Bräutigam schonmal am richtigen Ort.

„Na, ok“, meinte er irgendwann. „Aber glaubt nicht, dass ich da im Anzug zur Hochzeit komme. Ich lass das hier an.“ Er deutete auf den Jogginganzug. Seine angehende Frau lachte leicht hysterisch.

„Ja, er ist da etwas anders drauf als ich!“

Ihr Mann fragte meinen Sohn (ebenfalls im Jogger) dann, ob er sich jemals in einen „Anzug stressen“ würde. Junior nickte. „Für ne Hochzeit irgendwie schon!“

Der Bräutigam überlegte und hatte offenbar doch noch nicht ganz „die Kontrolle über sein Leben verloren.“

Ein paar Monate später erschien er im blauen Anzug zur freien Trauung. Leicht widerspenstig und strubbelig standen seine Haare zu Berge. 

„Wo ist denn der Jogginganzug“, wollte ich lächelnd wissen.

„Hab ich dabei. Zieh ich nachher beim Essen dann vielleicht an!“

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